Digitalpianos

Als Digitalpiano werden elektrisch betriebene, akustischen Klavieren nachempfundene Instrumente bezeichnet, bei denen die Tonerzeugung auf digitalem Weg erfolgt. Der Begriff “digital” beschreibt dabei in der Regel eine Tonerzeugung durch Wiedergabe digital gespeicherter Aufnahmen der einzelnen Töne von diversen akustischen Instrumenten (Sampling-Verfahren). Diese akustischen Instrumente sind insbesondere Klaviere, aber auch andere Tasteninstrumente wie Cembalo, E-Piano und Orgel sowie Streich-, Blas- und sogar Schlaginstrumente. Der Schwerpunkt liegt jedoch bei den Tasteninstrumenten, da Digitalpianos vorrangig als Alternative zum akustischen Klavier dienen. Die verschiedenen Stimmen eines Digitalpianos werden als “Voices” bezeichnet.
Die Tonwiedergabe erfolgt analog zu einer Stereoanlage durch Lautsprecher, die an elektrische Verstärker angeschlossen sind. Die Verstärkerleistung kann variieren zwischen 2×6 Watt und mehreren hundert Watt, verteilt auf ein komplexes System diverser Lautsprecher. Darüberhinaus können Digitalpianos für den Bühneneinsatz an externe Verstärker angeschlossen werden.
Ein maßgebliches Abgrenzungskriterium von Digitalpianos gegenüber Keyboards ist unter anderem die stärker am Klavier orientierte Tastatur, siehe dazu Absatz “Mechanik/Tastatur”. Bei manchen Instrumenten ist eine vollständige Abgrenzung jedoch nicht möglich, da sie Merkmale von Digitalpianos und Keyboards vereinen.
Digitalpianos unterscheiden sich bei strenger Auslegung der Begriffe grundlegend von E-Pianos, bei denen die Tonerzeugung mechanisch und lediglich die Verstärkung elektrisch erfolgt, siehe Seite E-Pianos. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden beide Begriffe jedoch häufig gleichbedeutend verwendet.
Hersteller von Digitalpianos sind z. B. Yamaha, Kawai, Roland, Casio, Korg, Hemingway,Kurzweil und diverse andere.

Untergruppen

Digitalpianos lassen sich in die Gruppen Homepianos, Ensemblepianos, Kompaktpianos und Stagepianos unterteilen. Häufig ist die eindeutige Zuordnung eines Gerätes zu einer der Gruppen jedoch nicht möglich, da einige Digitalpianos einzelne Merkmale verschiedener Gruppen in einem Gerät vereinen.

Homepianos sind ihrem Namen entsprechend für den heimischen Einsatz bestimmt und werden daher oft mit Holzoptik oder zum Teil auch Echtholz versehen, um eine wohnliche, möbelartige Atmosphäre auszustrahlen. Manche Homepianos verfügen inzwischen über Gehäuse, die denen eines akustischen Klaviers sehr ähnlich sind. Weiterhin werden auch Flügelgehäuse für Digitalpianos verwendet, so dass diese Instrumente als Digitalflügel bezeichnet werden können. Beispiele für Homepianos sind die Yamaha Clavinova-CLP-Serie und die Kawai CN-Serie.

Ensemblepianos sind Homepianos mit einem erweiterten Funktionsumfang und sind insbesondere durch eine Begleitautomatik gekennzeichnet. Mit Hilfe der Begleitautomatik kann sich der Spieler durch Auswahl eines Begleitrhytmus bzw. Begleit-Styles von typischen Begleitinstrumenten wie z. B. Schlagzeug oder Bass, einer ganzen Band oder einem Orchester begleiten lassen. Dabei kann der Spieler während des Spiels die Akkordfolge für die Begleitung mit der linken Hand vorgeben. Beispiele für Ensemblepianos sind die Yamaha CVP-Serie und die Kawai CP-Serie.

Kompaktpianos sind häufig Homepianos in kompakter, leichter und in der Regel preisgünstigerer Ausführung. Dabei werden Funktions- und Ausstattungsumfang sowie Verstärkerleistung gegenüber den Homepianos etwas verringert. Manche Kompaktpianos sind jedoch nicht nur mit den Homepianos verwandt, sondern durch ihre leichte Bauart und bestimmte Funktionen wie Begleitautomatik auch mit den Stagepianos und den Ensemblepianos, so z. B. das Yamaha DGX-640. Weiteres Beispiel: Kawai ES-Serie.

Stagepianos sind für den Bühneneinsatz gedacht, sollen daher leicht zu transportieren sein und müssen über eine gewisse Robustheit verfügen. Stagepianos brauchen nicht zwangsläufig eigene Lautsprecher, da sie im Bühneneinsatz über externe Verstärker und Lautsprecher betrieben werden.

Digitalpianos werden auch als Zusatzfunktion in akustische Klaviere und Flügel
eingebaut. Die akustische Klangerzeugung kann dann abgeschaltet und das Instrument im Digitalmodus weiterbetrieben werden. Dadurch lässt es sich leise stellen oder mit Kopfhörer spielen. Außerdem verfügt es meist über digitale Stimmen, die einem akustischen Klavier nicht zur Verfügung stehen, z. B. Cembalo oder E-Piano.

Sampling-Verfahren
Beim Sampling-Verfahren werden die Töne eines akustischen Klaviers, in der Regel eines Konzertflügels, unter Studiobedingungen aufgenommen (gesampelt). Die Samples werden vom Digitalpiano gespeichert, so dass auf Tastendruck das der gedrückten Taste entsprechende Sample wiedergegeben werden kann.
Ein akustischer Flügel reagiert auf unterschiedliche Anschlagsintensitäten nicht nur mit unterschiedlicher Lautstärke, sondern auch mit sehr unterschiedlicher Klangcharakteristik. Eine leicht angeschlagene Taste erzeugt einen leisen und weicheren Ton, eine kräftig angeschlagene Taste dagegen einen lauten und harten, brillanten, metallischeren Ton. Ein gutes akustisches Instrument verfügt somit über sehr viele verschiedene Klangfarben. Ziel der Digitalpiano-Entwicklung der letzten Jahrzehnte war insbesondere, diese differenzierten Tongestaltungsmöglichkeiten auch auf einem Digitalpiano zu ermöglichen. Im Zuge der ständig wachsenden Kapazitäten digitaler Speichermedien ist es inzwischen praktisch Standard geworden, die Samples in unterschiedlichen Anschlagsintensitäten aufzunehmen und somit ein- und denselben Ton in diversen Lautstärken mit den damit verbundenen Klangfarben auf den Digitalpianos zu speichern, um die Ausdrucksmöglichkeiten eines akustischen Klaviers möglichst authentisch zu simulieren. Das Sampling muss sich nicht auf die Töne des gesampelten Instruments beschränken, sondern kann auch Nebengeräusche umfassen wie z. B. das Geräusch, das die Dämpfer beim Treten des rechten Pedals erzeugen oder den Klang einer Taste und des in die Ausgangslage zurückfallenden Dämpfers beim Loslassen der Taste (Key-off samples).
Trotz der rasanten Entwicklung der Digitaltechnik sind Speicherkapazität und Rechenleistung bei der Herstellung eines möglichst günstigen Digitalpianos nach wie vor als begrenzte Ressourcen zu betrachten. Daher werden parallel zum mehrstufigen Sampling mitunter Techniken angewandt, um die Datenmenge zu reduzieren. Zum Teil verfügen nicht alle 88 Töne eines Digitalpianos über ein eigenes Sampling, sondern nur einige. Die zwischen den gesampelten Tönen liegenden Klänge werden dann rechnerisch durch eine Art Interpolation aus den gesampelten erzeugt.
Eine andere Methode zur Datenreduzierung ist die Verwendung von “Loops” (Schleifen). Die Töne werden dabei nicht in ihrer vollen Länge aufgezeichnet, sondern lediglich jeweils ein kurzer Ausschnitt der Töne, der dann schleifenartig wiederholt wird. Um das tatsächliche Ausklingverhalten des Tons zu simulieren, wird das aufgezeichnete Tonmaterial bei jeder Wiederholung der Schleife etwas leiser. Geloopte Samples sind bei einem lange gehaltenen Ton eines Digitalpianos an dieser schrittweisen Verringerung der Lautstärke erkennbar.

Polyphonie
Die Anzahl der Samples, die ein Digitalpiano gleichzeitig abspielen kann, wird als Polyphonie bezeichnet. Die meisten heutigen Digitalpianos verfügen über eine 64-fache bis 256-fache Polyphonie. Dadurch sind schnelle Passagen möglich auch bei getretenem Dämpferpedal, das ein Weiterklingen der gespielten Töne nach dem Loslassen der Tasten bewirkt. Wenn die Polyphonie des Digitalpianos vollständig ausgenutzt wird, führt dies dazu, dass das Instrument die zuerst angeschlagenen Töne vorzeitig beendet, um das Abspielen der später angeschlagenen zu ermöglichen.

Tastatur/Mechanik
Fast alle Digitalpianos für den Heimbereich verfügen heute über 88 Tasten und damit einen dem akustischen Klavier entsprechenden Tonumfang von 7 1/4 Oktaven. Häufig wird die Tastatur von Digitalpianos gewichtet, um das Anschlagsgefühl beim Klavier annähernd nachzubilden, da die Tasten der tiefen Töne auf der linken Tastaturseite ein höheres Anschlagsgewicht haben als die der hohen Töne auf der rechten Tastaturseite. Beim Klavier ist dies bedingt durch die größeren Hammerköpfe der tiefen Töne. Beim schnell wiederholten Anschlagen einer Klavier- oder Flügeltaste muss ausserdem die Kraft des zurückfallenden Hammerkopfes überwunden werden, um die Taste erneut anzuschlagen. Daher werden für die Nachbildung einer Klaviertastatur und -mechanik die Tastaturen vieler Digitalpianos nicht lediglich mit Federn unterschiedlicher Festigkeit ausgestattet, sondern mit mehr oder weniger aufwendigen Hammermechaniken.
Die Tastaturen von Digitalpianos sind in der Regel aus Kunststoff, jedoch werden für hochwertige Digitalpianos mitunter auch massive Echtholztasten verwendet.

Funktionen
Viele Digitalpianos verfügen neben der reinen Wiedergabe eines akustischen Instrumentes über zusätzliche Funktionen. Einige gängige Funktionen sind im Folgenden aufgelistet.

Split-Funktion: Mit der Split-Funktion lässt sich die Tastatur aufteilen, um zwei verschiedene Stimmen (Voices) parallel spielen zu können. Die untere Tastaturhälfte gibt z. B. Klavierklänge wieder, die obere Hälfte z . B. Geigenklänge. Auf diese Weise kann mit der rechten Hand eine Geigenmelodie gespielt werden, während die linke Hand die dazu passende Klavierbegleitung spielt.

Dual-Funktion: Bei Aktivierung der Dual-Funktion werden zwei Voices gleichzeitig gespielt. Jede gedrückte Taste erzeugt dann z. B. einen Klavier- und Geigenklang gleichzeitig.

Reverb: Die Bezeichnung Reverb ist eine Kurzform des englischen Wortes Reverberation (Hall). Die Reverb-Funktion fügt den Klängen des Digitalpianos einen Nachklang ähnlich einem Echo hinzu, der den Klang nachbildet, der beim Spielen in großen Räumen oder Hallen entstehen würde. Häufig stehen verschiedene Hall-Arten zur Verfügung, z. B. große Halle, kleine Halle, Kirche etc. Die Intensität des Halls, bzw. die Dauer des Nachklangs kann häufig eingestellt werden.

Halbpedalfunktion: Die Halbpedalfunktion ahmt beim Digitalpiano ein halb getretenes rechtes Pedal beim Klavier bzw. Flügel nach. Die Dämpfer berühren die Saiten in diesem Fall nur teilweise, so dass diese nicht vollständig frei klingen können, aber dennoch länger als ohne getretenes Dämpferpedal.

Recorder: Mit dem Recorder lässt sich ein gespieltes Stück auf dem Digitalpiano aufzeichnen und wiedergeben. Verfügt der Recorder über mehrere Spuren, können diese separat aufgezeichnet werden und separat oder gemeinsam abgespielt werden. Diese Funktion wird auch als Sequencer bezeichnet. Man kann beispielsweise zunächst die linke Hand eines Stückes auf der ersten Spur aufzeichnen, lässt diese dann wieder abspielen und zeichnet gleichzeitig auf der zweiten Spur die rechte Hand auf. Anschliessend können erste und zweite Spur parallel wiedergegeben werden, so dass das Stück vollständig erklingt. Verfügt der Sequencer über eine ausreichende Anzahl von Spuren und genügend Speicherkapazität, kann auf diese Weise ein ganzes Ensemble per Digitalpiano gespielt werden.

Metronom: Das Metronom ist ein Taktgeber zur Einhaltung einer vorher eingestellten Spielgeschwindigkeit. Bei Digitalpianos mit eingebautem elektronischen Metronom kann man auf die klassische Form des externen Metronoms verzichten und den Takt vom Digitalpiano vorgeben lassen.

USB-Anschluss: Durch einen USB-Anschluss am Digitalpiano ist die Speicherung des Spiels auf einem USB-Stick möglich. Ebenso der Anschluss des Digitalpianos an einen Computer zur Weiterverarbeitung des Gespielten. Die übermittelten Daten können dabei verschiedene Formate haben, z. B. MIDI, WAV oder MP3.

Einstellbare Anschlagsempfindlichkeit: Mit dieser Funktion kann gesteuert werden, wie stark die Tasten des Digitalpianos angeschlagen werden müssen, damit der Klang eine bestimmte Lautstärke bzw. eine bestimmte Brillanz erreicht. Das tatsächliche Anschlagsgewicht der Tastatur ändert sich dabei jedoch nicht. Praktisch umgesetzt wird diese Funktion dadurch, dass bei Einstellung einer höheren Anschlagsempfindlichkeit die Schwellenwerte der Anschlagsintensität herabgesetzt werden, ab denen das Sample der jeweils nächsthöreren Stufe abgespielt wird (siehe Absatz zum Thema Sampling).

Transpose: Die Transpose-Funktion dient zum Transponieren eines Stückes in eine andere Tonart, in der Regel um mit anderen Musikern in der gleichen Tonart zusammen spielen zu können. Die Töne des Digitalpianos können dabei meistens in Halbtonschritten jeweils um bis zu eine Oktave nach unten oder oben verschoben werden.

Tuning: Die Tuning-Funktion dient ebenfalls dem Zusammenspiel mit anderen Instrumenten und ermöglicht die nahezu stufenlose Feinanpassung der Tonhöhe jeweils um bis zu einen Halbtonschritt nach unten oder oben.

Geschichte der Digitalpianos
Die Geschichte der sample-basierten Digitalpianos reicht bis in die 1980er Jahre zurück. Kurz darauf hielt das Stereo-Sampling Einzug in die Digitalpianotechnik, und es wurden erste Versuche unternommen, die Tastaturen dem Vorbild einer Klaviertastatur ähnlicher zu gestalten. Gewichtete Tastaturen und mehrstufiges Sampling wurden dann seit den 1990er Jahren verwendet. In dieser Zeit erschienen auch die ersten Digitalflügel auf dem Markt in Form von Digitalpianos, die in miniaturisierte Flügelgehäuse eingebaut wurden. Seit dem Jahr 2000 wurden weitere Verfeinerungen in Bezug auf Anschlag und Klang bis zur Serienreife entwickelt, z. B. exaktere Abnahme des Anschlags, Steigerung der Polyphonie, aufwendigere Samplings etc.

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